BLOG 2: Paris und die Gotteslästerung

Nach der Enthauptung eines Lehrers durch einen islamistischen Attentäter in Paris dauern die weltweiten Solidaritätserklärungen an. „Jetzt erst recht“ lautet die Devise. Andere entdecken die deutsche Strafbarkeit der „Beschimpfung von Bekenntnissen“ in § 166 StGB. Die Norm ist umstritten. Jüngst fordert der bekannte Strafverteidiger Gerhard Strate dessen Abschaffung. Und hier mein Senf dazu

Erste Reaktionen

Die Reaktionen auf die Tat in Paris fallen erwartungsgemäß aus: Radikale Islamisten bejubeln die Gräuel- als Heldentat, die politische Rechte fordert mehr Überwachung und härtere Strafen, und die Medien, die sich durch den Angriff auf die Meinungsfreiheit in besonderer Weise selbst betroffen sehen, verkünden ihre unverbrüchliche Solidarität mit dem Getöteten und dessen Engagement für die Meinungsfreiheit.       

Abschaffung § 166 StGB?

Und natürlich wird einmal mehr die Forderung nach einer Abschaffung des § 166 Strafgesetzbuch (StGB) laut, der „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungen“, im Volksmund „Gotteslästerung unter Strafe stellt. So jüngst geäußert vom bekannten Strafverteidiger Dr. Gerhard Strate.

Die Norm

Grund genug sich ein paar Gedanken über diese Norm zu machen. § 166 StGB stellt es unter Strafe, öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise zu beschimpfen, die geeignet ist, den öffentlich Frieden zu stören. 

Schutzbereich

Geschützt ist jedoch weder das religiöse Bekenntnis noch die Weltanschauung. § 166 StGB schützt auch nicht das religiöse Empfinden oder die Inhalte der Religion oder der Weltanschauung. Vielmehr soll die Vorschrift in Deutschland, das gegenüber Religion und Weltanschauung neutral ist, den öffentlichen Frieden schützen. 

Dies schränkt die Anwendung der Norm so weit ein, dass es nicht um den Schutz einer Religion vor harter Kritik geht. Strafbar macht sich nicht, wer andere Religionen oder Religionsgemeinschaften kritisiert. Auch nicht, wer sich über sie lustig macht. Es braucht eine Beschimpfung. Nicht bloß eine Herabsetzung, sondern vielmehr eine besonders gravierende herabsetzende Äußerung oder Verleumdung, die dazu auch noch geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Dabei stellt die Vorschrift darauf ab, wie ein neutraler, auf Toleranz bedachter Betrachter die Äußerung verstehen würde. Es geht gerade nicht um die Sichtweise eines betroffenen, möglicherweise streng religiösen Anhängers des beschimpften Bekenntnisses.

Berücksichtigung der Verfassung

Vor allem aber ist bei der Auslegung aller Vorschriften des deutschen Rechts die Verfassung zu berücksichtigen. Das gilt auch für § 166 StGB. Die Vorschrift ist bei Beschimpfungen durch zum Beispiel Satire restriktiv anzuwenden. Satire darf nicht alles. Aber sie darf vieles, denn sie unterliegt dem Schutz der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Und auch, wenn dieses Grundrecht nicht uneingeschränkt gilt, muss es doch immer – auch bei einer Kollision mit anderen Grundrechten – abgewogen und einbezogen werden. 

Bedeutung in der juristischen Praxis

Die Bedeutung der Vorschrift ist in der juristischen Praxis verschwindend gering.

Der Vorschrift kommt aber in einer kulturell und religiös zunehmen pluralistisch geprägten Gesellschaft eine rechtspolitisch bedeutsame, werteprägende Funktion zu: „Sie gibt religiösen Minderheiten das Gefühl existenzieller Sicherheit“.  Dieses Gefühl sollte bewahrt werden.

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