BLOG 4: Erbschaftssteuer, ein Dogma?

Die Erhebung von Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer ist gern gesehener Diskussionsgegenstand auf allen Ebenen. Will man Blinde von der Farbe sprechen hören, ist man in mancher Diskussionsrunde hier gut aufgehoben. Im Übrigen ist die Debatte über die Erhebung von Erbschaftssteuer immer wieder eine intellektuelle Bereicherung für jeden Wahlkampf. Grund genug, sich mit dem Stand der Debatte ein wenig näher auseinanderzusetzen.

Gegenstand der Besteuerung

Die Erbschaftssteuer hat zwei Steuergegenstände. Sie besteuert zum einen den Vermögensanfall, der sich von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden vollzieht (einschließlich des Quasi-Erwerbs, den eine sog. Zweckzuwendung bewirkt), und sie erfasst zum zweiten in periodischen Abständen das Vermögen von Familienstiftungen und Familienvereinen.

Im Ergebnis werden unentgeltliche Erwerbe besteuert, soweit der Erwerber aus der Sicht des Gesetzgebers bereichert ist, d.h. Verbindlichkeiten, denen der Erwerber ausgesetzt ist, sind, von Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich abzugsfähig (§ 10 ErbStG).

Das deutsche Erbschaftssteuergesetz sieht bei der Besteuerung eine Reihe von Verschonungen vor, beispielsweise beim sogenannten Familienheim oder bei betrieblichen Vermögen. Dabei kann beispielsweise Betriebsvermögen im Wert von bis zu 26 Mio. Euro unter bestimmten Voraussetzungen komplett steuerfrei auf den Erwerber übergehen.

Das Erbschaftssteueraufkommen in Deutschland betrug im Jahr 2023 ca. 11,8 Mrd. EURO.

Die Beurteilungen der Erbschaftsteuer idF des ErbStG 2016 durch Personen, die etwas vom Thema verstehen, fallen nicht sonderlich positiv aus. Die Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität zu Köln, Johanna Hey fasst dies wie folgt zusammen:

„Die Erbschaftsteuer ist auch nach den drei Entscheidungen des BVerfG und den hierdurch ausgelösten Reparaturversuchen des Gesetzgebers in einem rechtstechnisch und verfassungsrechtlich schlechten Zustand.“

Stand der Debatte

Die Erbschaftssteuer steht seit jeher aus unterschiedlicher Sicht in der Kritik. Den einen ist sie zu hoch. Man würde sie am liebsten abschaffen. Den anderen ist sie zu niedrig. Der Schrei nach Umverteilung wird hier laut. So forderten einzelne Richter des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 17.12.2014 (Az.: 1 BvR 21/12) In einem Sondervotum:

„Werden gerade diejenigen verschont, die als erfolgreiche Unternehmer über die größten Vermögen und damit auch über erheblichen Einfluss auf das Gemeinwesen verfügen, und wird gerade ihnen ermöglicht, dieses Vermögen unter Befreiung der sonst nach Leistungsfähigkeit auferlegten Lasten an Dritte, insbesondere an Familienmitglieder, weiterzureichen, ohne dass diese hierfür eigene Leistung oder Fähigkeiten eingebracht hätten, verfestigt und verstärkt dies die ökonomische Ungleichheit. Die in der Entscheidung entwickelten Maßgaben tragen demgegenüber dazu bei, dass Verschonungsregelungen nicht zur Anhäufung und Konzentration größter Vermögen in den Händen Weniger führen“.

Dagegen haben beispielsweise Länder wie Österreich (2008), Schweden (2008) und auch die Balearen (2023) die Erbschaftssteuer zwischenzeitlich abgeschafft, mit dem Ziel Vermögen im Land zu halten bzw. anzuziehen. 

Wie stellen sich nun die Fronten hinsichtlich eines Für und Wider der Erbschaftssteuer dar?

Pro Erbschaftsteuer

  • Der Staat ermöglich durch seine Einrichtungen erst die Bildung und Sicherung von Vermögen, die im Erbgang übergehen, weshalb von ihm dafür eine Gegenleistung in der Form der Erbschaftssteuer verlangt werden kann (Äquivalenzgedanke)
  • Das Wirtschaftssystem ist so angelegt, dass es ungleiche Vermögensentwicklungen begünstigt, die im Interesse des sozialen Ausgleichs im Erbfall korrigiert werden sollten (Restributions- oder Umverteilungsgedanke)
  • Bei der Erschaftsssteuer ist  „der Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, die der Erwerber erfährt, Ziel und Rechtfertigung der Besteuerung“ (Begründung zur Reform des ErbStG 1974, BT-Drs. 6/3418, 1974, 59) (Leistungsfähigkeitsgedanke)
  • Erarbeitete Vermögenszuflüsse werden besteuert und ohne Arbeit erworbene Zuflüsse dürfen daher nicht unbesteuert bleiben (Gleichbehandlungsgedanke).
  • Teilweise wird sogar argumentiert, dass die Erhebung der Erbschaftssteuer durch die Verfassung geboten sei (v. Waldenfels, Der Gleichheitssatz im Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht, 2008, 93 ff.; Eckert FS Spiegelberger, 2009, 79 ff.).

Contra Erbschaftssteuer

  • Die Besteuerung von Erbschaften führt zu einer Mehrfachbesteuerung, weil sie bereits versteuertes Vermögen erneut der Besteuerung unterwirft und die mit dem Nachlass transferierte latente Einkommensteuer nicht ausreichend berücksichtigt, so dass der Effekt einer Steuer auf Steuer entsteht
  • Die Eigentums- und Testierfreiheit der Erblasser wird durch diese Art der Besteuerung beeinträchtigt
  • Der Leistungswille der Erblasser wird geschwächt
  • Man ist bei dieser Art der Besteuerung auf Bewertungen angewiesen und macht sich damit von unsicheren Prognosen abhängig 
  • Durch die Gestaltungsabhängigkeit wird die Belastungsgleichheit verhindert 
  • Der Übergang von Betriebsvermögen wird im Erbgang beeinträchtigt und damit Familienunternehmen und Arbeitsplätze gefährdet
  • Es wird keine Rücksicht auf die vermögensmäßigen Verhältnisse der Erwerber genommen
  • Die Erbschaftssteuer ist in der gesetzlichen Ausgestaltung zu kompliziert und die Steuersätze sind grundsätzlich zu hoch
  • Die Erhebung der Erbschaftssteuer verursacht unverhältnismäßige Verwaltungskosten 
  • Die Erhebung von Erbschaftssteuer fördert die Kapitalflucht fördert und ist somit „wirtschaftspolitisch verfehlt“ und „fiskalisch unsinnig“ ist ( J. Lang, Süddeutsche Zeitung Nr. 106/2008, 20)
  • Die Erbschaftssteuer stellt im internationalen Vergleich ein Auslaufmodell dar und wird demnächst einen Standortnachteil für Deutschland ergeben
  • Es gibt keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine bundeseinheitliche Regelung 
  • Insgesamt soll die Erhebung der Erbschaftssteuer verfassungswidrig sein ( J. Lang StuW 2008, 189).

Bei Licht betrachtet

Stellt man hier die Anzahl der jeweiligen Kritikpunkte gegenüber, sieht man bereits auf einen Blick, dass die Lobbyarbeit der vermögenden Erblasser gut funktioniert. 

Dabei soll nicht außer Acht gelassen werden, dass an der Struktur einer derartigen Besteuerung erhebliche Zweifel erhoben werden können und ein Wechsel in ein System, in dem stattdessen die laufenden Kapitaleinkünfte aus solchen Vermögen dauerhaft höher besteuert werden, der Sache mehr Rechnung tragen würden und auch im Steueraufkommen eine langfristigere Wirkung erzeugen können.

Dabei steht für mich gleichwohl außer Frage, dass unentgeltliche Vermögensübergänge in bestimmten Grenzen der Besteuerung unterworfen werden können. Dem Stichwort der Leistungsfähigkeit und vor allem der Leistungsbereitschaft kann Rechnung getragen werden, in dem in gleicher Weise die Besteuerung auf Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erheblich gesenkt und damit eine Leistungsentlastung herbeigeführt wird.

Wenn die Bundesverfassungsrichter in ihrem bereits erwähnten Sondervotum mit ihrem Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip letztendlich nichts anderes als eine Umverteilung über den Weg Erbschaftsbesteuerung ins Auge fassen, so kann dies grundsätzlich Regelungszweck der Erbschaftssteuer sein. Das steht für mich außer Frage. Wenn gleich das Wort Umverteilung schon einen Hauch von Diebstahl in sich birgt und man Karl Marx förmlich aus dem Grabe aufsteigen sieht.

Hält man an der bisherigen Struktur der Erbschaftsbesteuerung fest, muss man über die Art und Weise an mancher Stelle nicht nur reden, sondern auch nachdenken. Hier ist es hilfreich, die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts der letzten Jahre zur Art und Weise der Steuererhebung in die Diskussion mit einzubringen und zum Gegenstand der Überlegungen zu machen. 

Hierzu gehört für mich vor allem eine Belastungsgleichheit, die durch ausnahmsweise Verschonungsregelungen auf der einen Seite und höherer Belastung von Erben auf der anderen Seite in Frage zu stellen ist. Gleichmäßige Besteuerung mit niedrigeren Steuersätzen ohne Ausnahmen (sogenannte Verschonungen) von der Besteuerung dürften hier ein Lösungsansatz sein.

Ein Wort noch zur Verschonung von betrieblichen Vermögen. Mit dem Ziel des Erhalts von Arbeitsplätzen lässt sich immer punkten. Nur ist hier manchmal die Debatte nicht schlüssig. Die Belastung von Unternehmen mit Erbschaftssteuer müsse zum Erhalt von Arbeitsplätzen vermieden werden. Falsch! Nicht das Unternehmen wird mit Erbschaftssteuer belastet, sondern der Erbe, denn Steuerschuldner ist gemäß § 20 Abs.1 ErbStG der Erwerber. Richtig ist vielmehr, dass die Übernahme unternehmerischer Verantwortlichkeit nicht über Gebühr belastet werden darf. Dies bedarf der steuerlichen Rücksichtnahme. Nur wie?

Ausblick

Derzeit sind drei Verfassungsbeschwerden anhängig, bei denen es um die mögliche Verfassungswidrigkeit einzelner Normen des Erbschaftssteuergesetzes geht.

Hinzu kommt ein Normenkontrollverfahren, das von der Bayrischen Staatsregierung betrieben wird. Dabei wird das Ziel verfolgt, die persönlichen Freibeträge zu erhöhen, die Steuersätze zu senken und die Möglichkeit regional unterschiedlicher Regelungen zu schaffen.

Wie und wann das Bundesverfassungsgericht in den einzelnen Verfahren entscheiden wird, lässt sich noch nicht absehen. Man muss aber kein Prophet sein, um zu erwarten, dass den etwaigen Entscheidungen, soweit sie den Gesetzgeber fordern, wieder nur Flickwerk folgen wird und eine grundsätzliche Überarbeitung des Systems auf dem Altar der politischen Lobbyarbeit als Opfer verbleibt. Vielleicht würde es sich ja lohnen, auf die Entwicklung nach Schweden zu schauen, die die Abschaffung der Erbschaftssteuer mit sich gebracht hat. Ich selbst halte die Erhebung von Erbschaftssteuer für grundsätzlich legitim. Aber auch bei legitimen Dingen darf die Sinnhaftigkeit hinterfragt werde.

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